Die Europäische Kommission hat Algerien auf ihre Liste der „Hochrisikoländer“ im Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung gesetzt – ein Schritt, der in Algier für Unmut sorgt. Die algerische Regierung vermutet politischen Einfluss aus Paris hinter der Entscheidung und verweist auf die angespannte Beziehung zu Frankreich. Ungeachtet dessen kündigte sie an, bis spätestens Anfang 2026 von der sogenannten Grauen Liste der Financial Action Task Force (FATF) gestrichen werden zu wollen.
In einer Kabinettssitzung beschloss die Regierung umfassende Gesetzesreformen zur Bekämpfung von Finanzkriminalität und sendete damit ein klares Signal an die EU: Algerien will das FATF-Ranking schnellstmöglich verbessern.
Schlechte Noten für Algeriens Finanzsystem
Finanzminister Abdelkrim Boulzard musste sich im Parlament scharfer Kritik stellen. Abgeordnete warfen der Regierung vor, Warnungen zur mangelhaften internationalen Bewertung der Finanzaufsicht ignoriert zu haben. Ahmed Rebhi, Abgeordneter der FLN-Partei, nannte die FATF-Einstufung als „beschämend“ und beklagte, Algerien verfüge bislang weder über die rechtlichen noch über die materiellen Mittel, um Geldwäsche effektiv zu bekämpfen.
Algeriens Reformkurs – ein Wettlauf mit der Zeit
Minister Boulzard verwies auf Algeriens langjährige Mitgliedschaft bei der FATF. Bereits 2010 habe das Gremium festgestellt, dass das Land die Risiken im Bereich Geldwäsche nicht ausreichend einschätze. Daraufhin wurde Algerien 2011 auf die Graue Liste gesetzt, 2016 jedoch wieder gestrichen – bis zur erneuten Listung im Jahr 2024.
„Wir stehen kurz vor der Fertigstellung eines umfassenden Berichts zur Risikobewertung und haben etwa 95 Prozent der Anforderungen erfüllt“, so Boulzard. Der Bericht soll Ende Juli an die FATF übermittelt werden. Im September folgt ein Treffen mit der Task Force in Luxemburg, im Oktober soll dann die Generalversammlung über Algeriens Fortschritte entscheiden.
Ein im vergangenen Jahr erlassenes Dekret verschärfte bereits den rechtlichen Rahmen zur Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen. Es verpflichtet zur sofortigen Einfrierung verdächtiger Vermögenswerte, zur verschärften Kontrolle von Banken und freien Berufen sowie zur zentralen Verwaltung beschlagnahmter Gelder. Die Anzahl der Prüfpunkte zur Einhaltung der FATF-Vorgaben wurde von 74 auf 13 reduziert – ein Schritt zur Wiedergewinnung des Vertrauens ausländischer Investoren.
Gegen Geldquellen der Korruption
Die Zentralbank Algeriens hatte zuvor Richtlinien gegen Scheinkonten erlassen und Banken stärker in die Prävention eingebunden. Dennoch verkündete die EU am 10. Juni 2025 die Aufnahme Algeriens in die Liste der Hochrisikoländer – gemeinsam mit dem Libanon, Venezuela und Kenia.
Staatspräsident Abdelmadjid Tebboune betonte, die laufenden Reformen seien Teil eines nationalen Aktionsplans, der in enger Zusammenarbeit mit der FATF entwickelt wurde. Algerien habe große Fortschritte bei der finanziellen Transparenz und der Rückführung unterschlagener Vermögen gemacht – auch international sei dies anerkannt worden. Die Regierung präsentiert das Land als Modell im Kampf gegen Korruption, insbesondere im Umgang mit Schwarzgeld aus Steueroasen.
Politisches Kalkül aus Brüssel?
Algeriens Führung vermutet jedoch politische Motive hinter der EU-Entscheidung. Kritiker verweisen auf die kurze Frist zwischen der Wiederaufnahme auf die FATF-Liste 2024 und der EU-Entscheidung 2025. Diese lasse kaum Raum für die Umsetzung tiefgreifender Reformen.
Während Brüssel die Maßnahme als rein technische Entscheidung im Sinne der Finanzsicherheit darstellte, warnen politische Analysten vor einer Instrumentalisierung des Prozesses. In den algerischen Medien werden vor allem Frankreich und die anhaltende diplomatische Krise mit Paris als mögliche Einflussfaktoren genannt.
Ein hochrangiger Regierungsbeamter sagte, Algerien finalisiere derzeit weitere Gesetzesvorhaben, um dem internationalen Druck zu begegnen und sich rechtlich besser aufzustellen. Die FATF-Einstufung sei ein „ernsthafter Weckruf“ – allerdings kein überraschender, sondern Teil gezielter außenpolitischer Schachzüge gegen Algerien.
Neue Gesetze zur Prävention von Finanzkriminalität
Laut der Tageszeitung El Khabar wurden im Laufe des Jahres mehrere gesetzliche und regulatorische Maßnahmen ergriffen. Dazu zählen:
- Leitlinien zur Kunden- und Eigentümerprüfung im Immobiliensektor,
- Risiko-Selbsteinschätzungen für Finanzinstitute,
- Maßnahmen zum Einfrieren verdächtiger Vermögenswerte gemäß Sanktionslisten,
- und neue Vorgaben zur Identifizierung wirtschaftlich Berechtigter.
Auch das Notariatswesen wurde reformiert: Neue Auflagen zu Sorgfaltspflichten und Risikoanalysen sollen die Anfälligkeit für Geldwäsche verringern. Notare und Gerichtsvollzieher sind nun gesetzlich verpflichtet, verdächtige Transaktionen zu melden.
Gleichzeitig wurden Ausbildungsprogramme für notarielle Prüfer und Aufseher eingerichtet – samt Sanktionen bei Verstößen.
Der Ruf nach tiefergehenden Reformen
Analysten fordern nun weiterreichende Maßnahmen – etwa im Bankensektor, bei der Digitalisierung der Verwaltung, in der Steuerfahndung und bei der personellen Stärkung der Financial Intelligence Units. Auch die Überprüfung von Vermögensherkunft und die Einführung einer Reichensteuer werden diskutiert.
Graue Liste – ein Warnsignal, keine Strafe
Die Aufnahme auf die FATF-Graue Liste ist kein juristisches Strafmaß, sondern ein internationales Warnsignal: Sie weist auf strukturelle Schwächen im Finanzsystem hin, die Geldwäsche und Terrorfinanzierung begünstigen könnten. Die betroffenen Länder müssen innerhalb eines festgelegten Zeitrahmens ein Aktionsprogramm unter FATF-Aufsicht umsetzen.
In der arabischen Welt stehen derzeit Algerien, Syrien, Jemen und der Libanon auf der Liste. Die Vereinigten Arabischen Emirate, Marokko und Jordanien konnten sie durch umfassende Reformen wieder verlassen.
Zwar ist die Graue Liste keine Sanktion – doch die wirtschaftlichen Folgen ähneln ihr: erschwertes Vertrauen ausländischer Investoren, strengere Bankkontrollen, höhere Transaktionskosten. Eine schnelle Reaktion ist entscheidend, um wirtschaftliche Schäden abzuwenden.