Von Robert Czulda, Assistenzprofessor an der Universität Lodz (Polen)
Der groß angelegte israelische Luftangriff in der Nacht vom 12. auf den 13. Juni 2025, der in mehreren Wellen durchgeführt und auf zahlreiche Ziele im gesamten Iran gerichtet wurde, markiert ein neues und gefährliches Kapitel in dem langjährigen Konflikt zwischen diesen Erzfeinden – ein Kapitel, das offenbar gefährlich nahe an einen offenen Krieg heranrückt.
Israel hat bereits früher iranische Ziele angegriffen. So wurde im April 2024 ein Militärstützpunkt und ein Flugfeld in Isfahan angegriffen. Im Oktober desselben Jahres folgten Vergeltungsschläge gegen iranische Militäreinrichtungen, darunter Drohnenfabriken, Anlagen für ballistische Raketen sowie Luftabwehrsysteme.
Die jüngste Operation jedoch ist in ihrem Ausmaß und der Auswahl der Ziele beispiellos. Der Iran erlitt nicht nur schwere menschliche Verluste, sondern auch erheblichen Reputationsschaden. Die Angriffe trafen Teheran, Natanz und Parchin und töteten Berichten zufolge mehrere ranghohe Militärkommandanten, darunter General Mohammad Bagheri, Chef des Generalstabs der iranischen Streitkräfte, General Hossein Salami, Oberbefehlshaber der Revolutionsgarden (IRGC), und General Gholam Ali Rashid, stellvertretender Generalstabschef der Streitkräfte. Dies waren einige der höchsten Figuren in der iranischen Militärhierarchie.
Es ist immer riskant, in einer frühen Phase einer Krise weitreichende Schlussfolgerungen zu ziehen – insbesondere wenn es um die langfristigen Auswirkungen auf das iranische Nuklearprogramm oder die militärische Strategie geht. Mehrere iranische Nuklearwissenschaftler kamen offenbar ums Leben, und die wichtige Urananreicherungsanlage in Natanz wurde beschädigt. Dennoch wäre es ein Fehler zu behaupten, das iranische Atomprogramm sei zerstört worden – das ist eindeutig nicht der Fall. Zwar könnte der Angriff zu einer vorübergehenden Verlangsamung führen, doch paradoxerweise könnte er auch den langfristigen Anreiz für Teheran erhöhen, tatsächlich Nuklearwaffen anzustreben. In Anbetracht der aktuellen geopolitischen Lage könnte ein solcher Schritt von iranischen Entscheidungsträgern sogar als rational angesehen werden. Eine endgültige Bewertung ist derzeit jedoch noch nicht möglich.
Einige vorläufige Schlussfolgerungen lassen sich aber bereits ziehen. Erstens hat Israel aus militärischer Sicht seine überwältigende operative Überlegenheit und Professionalität unter Beweis gestellt – insbesondere in der Durchführung eines komplexen und groß angelegten Luftschlags. Damit wurde auch ein klares Signal an staatliche wie nichtstaatliche Akteure gesendet, die es wagen könnten, Israel zu bedrohen. Über 200 Flugzeuge waren an der präzise koordinierten Operation beteiligt – ohne bekannte Verluste auf israelischer Seite.
Zweitens unterstreicht die Wirksamkeit dieses Angriffs die entscheidende Bedeutung von Lufthoheit und Aufklärung in modernen Konflikten – ebenso wie den operativen Wert von Plattformen wie der F-35. Diese Jets wurden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht nur als Angriffsmittel eingesetzt, sondern auch zur Aufklärung, Überwachung und Kommunikation. Jeder Staat, der über F-35 oder vergleichbar moderne Flugzeuge verfügt und sie in ein gut entwickeltes operatives Gesamtsystem integriert, wird gegenüber potenziellen Gegnern einen erheblichen Vorteil haben. Diese Lehren gehen weit über den Iran und den Nahen Osten hinaus – sie sind relevant für jede mögliche militärische Konfrontation, etwa im Falle eines NATO-Russland-Kriegs oder eines chinesischen Angriffs auf Taiwan. In beiden Szenarien wird Lufthoheit – einschließlich Aufklärung und Langstreckenangriffen – entscheidend sein. Und in genau diesen Bereichen hat Israel derzeit die Oberhand.
Die Lufthoheit bei Aufklärung und präzisem Langstreckenbeschuss verschafft einer Seite einen erheblichen Vorteil. Israel verfügt über ein hochwirksames Nachrichtendienstsystem, das es erlaubt, Ziele zu erkennen, zu verfolgen und präzise auszuschalten. Gleichzeitig hat der jüngste Angriff – wie schon frühere – die tiefgreifende Schwäche der sogenannten A2/AD-Fähigkeiten des Iran (Anti-Zugang/Flächenverweigerung) offenbart, also jener Mittel, mit denen ein Gegner daran gehindert werden soll, in ein bestimmtes Gebiet einzudringen und dort zu operieren – sei es zu Lande, zu Wasser oder in der Luft.
Israel hingegen beherrscht SEAD- (Bekämpfung feindlicher Luftabwehr) und DEAD-Operationen (Zerstörung feindlicher Luftabwehr) auf höchstem Niveau – dank seiner modernen Luftwaffe, darunter auch die erwähnten F-35-Jets, die mittlerweile von 20 Staaten beschafft wurden (Israel ist der einzige Nutzer im Nahen Osten; die Vereinigten Arabischen Emirate erhielten keine Genehmigung zum Erwerb). Während SEAD darauf abzielt, gegnerische Luftabwehrsysteme – etwa Radare, Flugabwehrraketen oder Kommandoposten – vorübergehend zu stören oder auszuschalten, geht DEAD einen Schritt weiter und zerstört diese Anlagen vollständig.
Mit jedem weiteren Schlag gegen den Iran wächst Israels Dominanz in diesen Bereichen – und mit ihr die Verwundbarkeit des Iran gegenüber künftigen Angriffen aus der Luft. Der Iran verfügt schlicht nicht über die Mittel, Israels Luftüberlegenheit zu brechen. Israel kann daher iranische Ziele mit geringem Risiko angreifen – insbesondere, da viele israelische Flugzeuge gar nicht in den iranischen Luftraum eindringen müssen, sondern ihre Ziele aus sicherer Entfernung treffen können.
Drittens zeigt sich erneut, dass der Iran unfähig ist, seine strategischen Ressourcen zu schützen – nicht nur wegen seiner schwachen und ineffektiven Luftabwehr, sondern auch aufgrund gravierender konterintelligence Mängel. Bereits Ende Juli 2024 wurde Ismail Haniyeh, der politische Anführer der Hamas, während der Amtseinführung von Präsident Masoud Pezeshkian in Teheran ermordet – ein hochrangiges Ereignis, das eigentlich besonders stark hätte gesichert werden müssen. Haniyehs Tod in einem solchen Umfeld war ein katastrophaler Imageschaden für den Iran.
Auch der jüngste israelische Schlag verdeutlicht die tiefgreifenden Schwächen des iranischen Sicherheitsapparats, der offensichtlich nicht in der Lage ist, israelische Infiltrationen zu verhindern. Dass führende Nuklearwissenschaftler und ranghohe Militärs in ihren Häusern oder Kommandostellen getötet wurden – und das trotz öffentlicher Warnungen vor einem bevorstehenden Angriff – ist geradezu erschütternd. Offenbar hat der Iran nichts dazugelernt. Wenn er seine wichtigsten Güter nicht schützen kann – wie soll er dann die weniger wichtigen verteidigen? Diese Frage stellen sich viele iranische Soldaten und Offiziere wohl längst – in dem Wissen, dass im Falle eines offenen Krieges ihr Schicksal besiegelt sein dürfte.