Zunächst lag eine höflich-festliche Stimmung in der Luft. Auf einem Empfang anlässlich des israelischen Unabhängigkeitstags in Abu Dhabi begrüßte Yossi Shelly, Israels Botschafter in den Vereinigten Arabischen Emiraten, seine Gäste mit Worten, die ganz im Einklang mit dem offiziellen Ton der Emirate standen. Er lobte die aufstrebende Partnerschaft zwischen zwei Ländern, die sich dem wirtschaftlichen Fortschritt und der technologischen Innovation verschrieben hätten. Israel strebe Frieden an, so Shelly, und wolle die Abraham-Abkommen ausweiten – jene diplomatische Initiative, durch die unter der Ägide von Präsident Donald Trump mehrere arabische Staaten, darunter die Emirate, ihre Beziehungen zu Israel normalisiert hatten.
Shelly ging noch weiter: Er forderte gar den Friedensnobelpreis für die Architekten dieses historischen Prozesses. Als er anschließend die Muslimbruderschaft als Bedrohung brandmarkte und die palästinensische Hamas als Terrororganisation bezeichnete, konnte er sich der Zustimmung vieler Anwesender sicher sein. In den Machtzentren der Emirate gelten beide Gruppen als existenzielle Gefahren – politisch, ideologisch und sicherheitspolitisch. Bis dahin sprach der Diplomat mit sicherem Gespür für die sensiblen Linien der Gastgeber.
Doch dann, fast beiläufig, lenkte Shelly das Gespräch auf den Iran – und in dem Moment wich die höfliche Wohlgestimmtheit einem kaum merklichen, aber spürbaren Unbehagen. Als er die Islamische Republik als das größte Sicherheitsrisiko in der Region bezeichnete und Israel das Recht zusprach, mit allen Mitteln gegen die Bedrohung durch Teheran vorzugehen, senkten sich Blicke. Gespräche verstummten. Es war der Moment, in dem der Subtext des Empfangs eine Wendung nahm.
Denn so groß die Feindschaft gegenüber der Islamischen Republik in den Emiraten auch sein mag – so groß ist auch das strategische Kalkül, sich nicht zu eng an Israels Konfrontationskurs binden zu lassen. Die Golfmonarchien, allen voran Abu Dhabi, setzen auf Balance: wirtschaftliche Öffnung gegenüber Israel, ja, aber nicht um den Preis eines offenen Konflikts mit dem Iran, mit dem man weiterhin wirtschaftliche und religiöse Verflechtungen pflegt. Shellys Worte trafen somit einen wunden Punkt – und erinnerten daran, dass unter dem brüchigen Putz regionaler Normalisierung noch alte Spannungen und neue Vorsicht liegen.
Der aggressive Kurs von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der einen Militärschlag gegen das iranische Atomprogramm wünscht, behagt den Emiraten nicht. Die Antwort aus Tel Aviv auf emiratische Bedenken, so heißt es in Abu Dhabi, laute sinngemäß: Lasst uns den Job in Iran erledigen, und dankt uns später. Unbehagen bereitet Abu Dhabi auch die Fortsetzung des Krieges im Gazastreifen, wo die Bevölkerung in eine humanitäre Katastrophe gestürzt wird.
Der Auftritt des Botschafters steht sinnbildlich für die neue geostrategische Lage in der Region und das Magengrimmen, das sie den Führungsmächten am Golf bereitet. In den Emiraten oder in Saudi-Arabien herrscht Genugtuung darüber, dass Israels Militär nach dem monströsen Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 das iranische Regime und wichtige Vasallen massiv geschwächt hat – allen voran die Hizbullah in Libanon. Aber zugleich wünschen sich die Herrscher am Golf Ruhe und Stabilität. Sie wollen sich auf die Umbauarbeiten ihrer Volkswirtschaften konzentrieren.
„Golfstaaten wünschen sich vor allem eines: keinen Krieg“, sagt ein gut vernetzter Insider am Golf. Sie wünschten sich einen Deal zwischen Washington und Teheran, um den Konflikt über das iranische Atomprogramm beizulegen. „Ziel sollte nicht sein, das Regime in Teheran zu beseitigen, sondern eine Verhaltensänderung zu erwirken“, sagt ein emiratischer Beobachter mit Kontakten in die Führung. Sein Heimatland setzt wie Saudi-Arabien, ein alter Rivale der Islamischen Republik, auf Tauwetterpolitik.
Eine Eskalation, etwa durch einen Militärschlag gegen das iranische Atomprogramm, ist für beide Länder gefährlich, weil sie dann zum Ziel Irans oder seiner Stellvertreter werden könnten. Gerade Saudi-Arabien hat das 2018 schmerzlich erfahren, als zentrale Ölanlagen mit einem Schwarm von Drohnen und Raketen angegriffen wurden. Damals hatte der amerikanische Präsident Donald Trump eine Politik des „maximalen Drucks“ auf Iran gemacht, seinem wichtigsten arabischen Alliierten allerdings minimalen Schutz gewährt.
Auch heute richten sich die Blicke auf Trump. Ständig fällt sein Name, wenn es um die Frage geht, wie es weitergeht in der Region. Sei es im Atomstreit, im Gazastreifen oder in Syrien, wo sich Washington noch nicht zu einer eindeutigen Haltung gegenüber dem neuen Machthaber Ahmed al-Scharaa durchgerungen hat. Die führenden Golfstaaten sind auf Washington angewiesen, auch wenn sie sich zunehmend als eigener und unabhängiger Machtblock etablieren wollen, der – entgegen amerikanischen Interessen – gute Beziehungen zu China und Russland hat. Dass Trump den Golf als Ziel seiner ersten Auslandsreise ausgewählt hat, wird als Zeichen dafür gewertet, dass die Region ihm wichtig ist: in geopolitischen Fragen, mit Blick auf Investitionen in die amerikanische Wirtschaft und als Markt für die amerikanische Rüstungsindustrie. Ein Gipfel mit Vertretern des Golfkooperationsrates (GCC) stand auf dem Programm.
Von Regierungsvertretern mehrerer Golfstaaten ist zu hören, dass Hoffnung besteht, Trumps transaktionaler Politikstil könne zu konkreten Abkommen führen, die zur Beruhigung der Lage in der Region beitragen. Zugleich sorgt seine Unberechenbarkeit für Unruhe in den Führungsetagen jener Staaten, die auf eine verlässliche militärische Präsenz und sicherheitspolitische Rückendeckung aus Washington angewiesen sind. Besonders mit Blick auf Israel herrscht Skepsis: Zweifel, ob Trump tatsächlich bereit ist, den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu zur Zurückhaltung zu bewegen. Dass er als Einziger dazu in der Lage wäre, gilt allerdings als unstrittig.
Trump will, dass Saudi-Arabien – wichtigster arabischer Verbündeter der USA – seine Beziehungen zu Israel normalisiert. Im Gegenzug stellt er dem Königreich Unterstützung beim Aufbau eines zivilen Atomprogramms sowie eine vertiefte sicherheitspolitische Partnerschaft in Aussicht. Doch Riad begegnet der israelischen Führung mit tiefem Misstrauen und fordert zumindest eine verbindliche Perspektive für eine Zwei-Staaten-Lösung im Nahostkonflikt. Auch Kronprinz Mohammed bin Salman hat diese Haltung mehrfach öffentlich bekräftigt. Er hat sich zuletzt als außenpolitischer Akteur profiliert – als Vermittler im Ukrainekrieg wie auch zwischen Moskau und Washington. Es gilt als wahrscheinlich, dass Saudi-Arabien auf mehr „strategische Klarheit“ und langfristige Verlässlichkeit der USA pochen wird.
Geopolitik steht für Trump allerdings nicht unbedingt an erster Stelle. Diplomaten in der Region berichten, dass der Präsident in erster Linie auf Investitionen aus ist. Entsprechend reiste er mit einer umfangreichen Wirtschaftsdelegation an. Die Golfmonarchien haben erkannt, dass sie Trumps Eigeninteresse bedienen müssen – und wissen inzwischen, wie sie ihn ködern können. Der saudische Kronprinz sagte ihm kurz nach Amtsantritt Investitionen im Umfang von 600 Milliarden Dollar zu. Die Emirate warben mit dem Versprechen, in den kommenden zehn Jahren 1.400 Milliarden Dollar zu investieren, etwa in den Bereich Künstliche Intelligenz. Katar wiederum, wo der US-Botschafter ein „Zeitalter der Verständigung“ ausrief, schenkte Trump ein luxuriöses Flugzeug im Millionenwert – es soll zur neuen Air Force One werden. Der Präsident selbst scheint darin keinen Interessenkonflikt zu sehen. Im Gegenteil: Er lobte den wirtschaftlichen Nutzen dieser „transparenten Transaktion“