Von Ahmad Al-Remeh
Zusammenfassung
Das iranische Militärbudget war stets von Intransparenz geprägt. Zwar wird der nationale Haushalt jedes Jahr öffentlich im Parlament vorgestellt, doch die finanziellen Strukturen der Streitkräfte sind so verschachtelt, dass selbst erfahrene Militär- und Wirtschaftsexperten Mühe haben, ihre tatsächliche Größenordnung zu erfassen.
Wer Irans Verteidigungsausgaben verstehen will, darf sich nicht auf die offiziellen Budgets der regulären Streitkräfte, der Revolutionsgarden (IRGC) und der paramilitärischen Basij-Einheiten beschränken. Zusätzliche Ausgaben für innere Sicherheitskräfte, Polizei, militärnahe Institutionen sowie Bildungs-, Religions- und Forschungszentren mit Verbindungen zum Militär müssen ebenfalls einbezogen werden.
Einleitung
Das Londoner International Institute for Strategic Studies (IISS) veröffentlicht jährlich die umfassende Analyse The Military Balance, in der es globale Militärfähigkeiten und Verteidigungsausgaben bewertet.
In seinem jüngsten Bericht hebt das Institut signifikante Veränderungen im iranischen Haushaltsentwurf 2018–2019 hervor – insbesondere die wachsenden Verteidigungsausgaben und eine strategische Neugewichtung der Mittelverteilung. Der Bericht betont, dass der öffentliche Haushalt Irans nur einen begrenzten Einblick in die tatsächlichen Militärausgaben bietet, da viele Institutionen – vor allem die Streitkräfte – auf eigene Einnahmequellen außerhalb des offiziellen Haushalts zurückgreifen.
Zur Ausweitung ihrer finanziellen Autonomie haben die Revolutionsgarden (IRGC) landesweit private Unternehmen gegründet, um unabhängige Mittel zu sichern. Dank ihres politischen Einflusses erhalten sie einen Großteil staatlicher Aufträge in Bau, Energie, Verkehr und Infrastruktur – meist ohne Wettbewerb.
Das wahre Ausmaß von Irans Militärausgaben
Um Irans tatsächliche Militärausgaben zu ermitteln, genügt es nicht, lediglich die Budgets der regulären Armee, der Revolutionsgarden und der Basij einzuberechnen. Auch Mittel für Polizei, innere Sicherheitsbehörden, militärisch besetzte Institutionen sowie militärnahe Universitäten, Forschungszentren und religiös-politische Organisationen müssen berücksichtigt werden.
Die mangelnde Transparenz ist gewollt. Die Berechnung und Veröffentlichung des Militärhaushalts unterliegt undurchsichtigen Verhandlungen zwischen den Machtzentren des Regimes, die Mittel häufig nach eigenen politischen oder ideologischen Interessen umverteilen.
Trotz dieser Herausforderungen hat das IISS nach eingehender Analyse fünf zentrale Erkenntnisse veröffentlicht:
- Die offiziellen Verteidigungsausgaben Irans übersteigen die Forderungen konservativer Abgeordneter deutlich.
- Führende IRGC-nahe Medien und hohe Militärs – darunter Generalstabschef Mohammad Bagheri und der frühere Vorsitzende des Parlamentsausschusses für nationale Sicherheit, Alaeddin Boroujerdi – forderten wiederholt, 5 % des nationalen Haushalts für Verteidigung bereitzustellen.
- 2016 entsprach das Parlament dieser Forderung – der Militärhaushalt belief sich auf 921 Billionen Rial (ca. 19,6 Mrd. US-Dollar).
- Im Haushalt 2018 waren Ausgaben von insgesamt 12.000 Billionen Rial (ca. 260 Mrd. US-Dollar) vorgesehen – davon 7,5 % (ca. 19,5 Mrd. US-Dollar) für das Militär.
- Die massive Abwertung des iranischen Rial zwischen April und Oktober 2018 reduzierte den realen Verteidigungshaushalt von 21,4 auf 19,6 Mrd. US-Dollar. Dennoch hielt die Regierung an nominalen Zahlen fest – ein Signal, dass sich die Prioritäten angesichts innerer Unruhen deutlich in Richtung Sicherheit verschoben hatten.
Trotz Währungsverlust bedeutete das Budget 2018 eine reale Steigerung der Militärausgaben um 53 % im Vergleich zum Fünfjahresschnitt. Auffällig war insbesondere der Anstieg des Budgets für Polizei und innere Sicherheit um 83 % – der größte Einzelzuwachs im militärischen Bereich.
Bemerkenswert: 16 % des Militärhaushalts flossen 2018 in Polizei und Sicherheitskräfte – mehr als die reguläre Armee erhielt (12,1 %). Diese Entwicklung spiegelt die zunehmenden Sorgen des Regimes über wachsende Protestbewegungen wider – insbesondere nach den landesweiten Demonstrationen vom 28. Dezember 2017 bis 7. Januar 2018.
Ein Drittel des Militärbudgets – rund 303 Billionen Rial bzw. 6,4 Mrd. US-Dollar – entfiel 2018 auf die IRGC, die eine zentrale Rolle bei der Unterdrückung der Proteste spielte.
Die Zentrale des Hauptquartiers Khatam al-Anbiya: Funktion und Finanzierung
Der Haushalt 2018–2019 enthielt auch Mittel für das Zentrale Hauptquartier Khatam al-Anbiya (nicht zu verwechseln mit der Konstruktionsbasis gleichen Namens). Dieses Kommando unter Brigadegeneral Gholam-Ali Rashid nimmt eine strategische Koordinierungsrolle innerhalb der Streitkräfte ein.
Es wurde ursprünglich im Iran-Irak-Krieg gegründet, um Operationen zwischen Armee und IRGC abzustimmen. Seit 2016 ist klar: Im Kriegsfall wird dieses Hauptquartier – nicht der Generalstab – sämtliche militärischen Operationen führen.
Zum Stellvertreter von Rashid wurde Brigadegeneral Hossein Hassani Sa’di ernannt, ehemaliger Kommandeur der Bodentruppen. Dies zeigt die wachsende Bedeutung der Einrichtung.
Regierungsnahe Medien berichten, dass das Hauptquartier auch für „strategische Koordination im Nahen Osten“ zuständig sei. Rashid gilt als enger Vertrauter des getöteten Quds-Generals Qassem Soleimani, unter dessen Leitung Irans Militäreinsätze in Syrien, Irak und Jemen sowie die Zusammenarbeit mit der Hisbollah durchgeführt wurden.
Im Verteidigungshaushalt 2017 waren für die Quds-Einheit 10 Billionen Rial (ca. 213 Mio. US-Dollar) vorgesehen – ebenso viel wie für das iranische Raketenprogramm.
Doch im Haushaltsplan 2018 fehlen jegliche Angaben zur Quds-Einheit oder zum Raketenprogramm – ein Indiz für verdeckte Finanzierungswege außerhalb des offiziellen Budgets. Diese dürften direkt dem Revolutionsführer und hochrangigen IRGC-Kommandeuren unterstehen und deuten auf priorisierte, diskrete Kanäle für sensible Militärprojekte hin.
Was lässt sich aus Irans Militärausgaben schließen?
Diese vorläufige Analyse zeigt einen klaren Wandel in der Struktur und Zielsetzung der iranischen Verteidigungsausgaben. Mit rund 19,5 Mrd. US-Dollar wurden die Investitionen in militärische und sicherheitspolitische Bereiche deutlich erhöht.
Der Anstieg um 83 % bei Polizei- und Sicherheitsbudgets – mit einem Anteil von 16 % am gesamten Verteidigungshaushalt – steht in starkem Kontrast zu den 12,1 % für die reguläre Armee. Das legt nahe, dass das Regime seine größte Bedrohung derzeit nicht von außen, sondern von innen erwartet – in Form von Protesten und wachsender gesellschaftlicher Unzufriedenheit.
Gleichzeitig erhielt die IRGC als mächtigste Sicherheitskraft des Landes ein Drittel der Mittel – rund 6,4 Mrd. US-Dollar. Das festigt ihre Doppelrolle als Instrument der innenpolitischen Repression und als Akteur in der asymmetrischen Außenpolitik Teherans, insbesondere durch Stellvertreterkriege.
Angesichts dieser Entwicklungen stellt sich die Frage: Wohin fließen Irans Verteidigungsmittel tatsächlich – und warum?
Die auffälligste Antwort liefert nicht, was sichtbar ist, sondern was fehlt: Die Auslassung der Budgets für die Quds-Einheit und das Raketenprogramm im Jahr 2018 deutet auf geheime, außerbudgetäre Finanzierungsstrukturen hin. Diese belegen, dass Teherans militärische Ambitionen – ob innenpolitisch oder außenpolitisch – weiterhin im Schatten der offiziellen Berichterstattung operieren.