Mit einer Reihe umstrittener Entscheidungen, die Lob und Misstrauen zugleich hervorrufen, hat Libyens Übergangs-Premierminister Abdulhamid Dbeibah eine tiefgreifende Neuordnung der Außenpolitik angekündigt. Dazu gehören die Schließung zahlreicher Auslandsvertretungen, die Aussetzung des staatlich geförderten Auslandsstudiums sowie die Überprüfung ausgewählter Ölverträge. Die Maßnahmen werfen die Frage auf: Handelt es sich um echte Reformschritte – oder um kalkulierte Manöver zur Machtsicherung?
Per Dekret Nr. 298 aus dem Jahr 2025 ordnete Dbeibah die Schließung von 25 libyschen Auslandsvertretungen an. Darüber hinaus soll das Außenministerium eine umfassende Überprüfung und Neuaufstellung der Botschaften, Konsulate und Auslandsmissionen vornehmen und innerhalb eines Monats einen Fortschrittsbericht vorlegen.
Nach Angaben der Regierung zielt diese Maßnahme auf eine Straffung der öffentlichen Ausgaben und eine Neuausrichtung der Ressourcen auf innenpolitische Prioritäten. Ein neues Gremium – bestehend aus Vertretern des Premierministerbüros, des Außenministeriums, der Verwaltungsaufsichtsbehörde und des Rechnungshofs – wurde durch Dekret Nr. 192 eingerichtet. Es soll Vorschläge zur weiteren Reduzierung des diplomatischen Personals sowie zum Umgang mit den personellen Folgen der Schließungen erarbeiten.
Parallel dazu kündigte Dbeibah die Aussetzung des staatlich finanzierten Auslandsstipendienprogramms an. Laufende Studien sollen abgeschlossen werden dürfen, Verlängerungen werden jedoch nicht genehmigt. Die Regierung begründet den Schritt, der ein Programm betrifft, das Libyen jährlich fast eine halbe Milliarde Dinar kosten soll, mit der Umverteilung von Mitteln in den Aufbau einer nationalen digitalen Bibliothek zur Förderung von Bildung und Forschung im Land. Zudem sollen Ölverträge überprüft werden – laut Regierung ein Beitrag zur Transparenz und zur Korrektur früherer Misswirtschaft im Energiesektor.
Die Reaktionen auf die Entscheidungen des Premierministers fallen gespalten aus. Befürworter werten sie als überfällige Reformen. Der libysche Journalist Mahmoud Al-Sharkasi sprach von einem „mutigen und notwendigen Schritt“. Auch Mohamed Moazeb, Mitglied des Hohen Staatsrates, erklärte, diese Maßnahmen entsprächen langjährigen Forderungen von Experten, Politikern und der Öffentlichkeit.
Kritiker hingegen sehen politisches Kalkül. Abgeordneter Ali Al-Soul etwa erklärte, Dbeibah wolle durch scheinbare Reformen innen- und außenpolitische Aufmerksamkeit gewinnen, um seine verbleibende Zeit im Amt zu verlängern: „Er weiß, dass das Ende naht, und klammert sich mit symbolischen Maßnahmen an die Macht.“
Auch der Politikanalyst Mohamed Mahfouz bewertet die Schritte als „letzte PR-Maßnahmen“, die Unzufriedenheit mildern und Kritik an ausufernden Staatsausgaben abwehren sollen.
Der frühere stellvertretende Außenminister Hassan Al-Saghir begrüßte zwar die Idee der Ausgabenkürzung, betonte jedoch, dass Entscheidungen über die Eröffnung oder Schließung von Botschaften staatlich breit abgestimmt und nicht einseitig getroffen werden müssten. Er vermutet, Dbeibah wolle sich dem UN-Sondergesandten als verantwortungsbewusster Staatsmann präsentieren, um ein neues Mandat zu erhalten – möglicherweise mit Beteiligung von Akteuren aus Ost- und Westlibyen.
Besonders heftig fiel die Kritik an der Aussetzung des Stipendienprogramms in den sozialen Medien aus. Viele Nutzer warfen der Regierung Heuchelei vor: Schon seit Jahren seien Auslandsstipendien nur Kindern von Regierungsmitgliedern und deren Umfeld zugänglich gewesen – nicht der breiten Bevölkerung.
Beobachter stellen sich nun die Frage, ob Dbeibahs Maßnahmen Einfluss auf den ohnehin fragilen politischen Fahrplan Libyens haben werden, der weiterhin unter der Aufsicht der Vereinten Nationen steht. Manche befürchten, dass die Entscheidungen mehr blockieren als voranbringen könnten.
Allein im Jahr 2023 hatte die Zentralbank Libyens beiden rivalisierenden Regierungen eine Mitverantwortung für die Abwertung des Dinars gegeben – bei Gesamtausgaben von über 224 Milliarden Dinar. Die Regierung Dbeibah soll davon rund 123 Milliarden verantwortet haben, während die von Osama Hammad geführte Regierung im Osten etwa 59 Milliarden verbrauchte.
Libyen unterhält derzeit über 130 Botschaften und Auslandsvertretungen. Laut einem Bericht des Rechnungshofs von 2023 flossen fast 1,5 Milliarden Dinar in die Gehälter von 3.478 diplomatischen und lokalen Mitarbeitern.
Ob Dbeibahs Maßnahmen letztlich zu mehr Stabilität beitragen – oder bloß dem Machterhalt dienen –, wird sich erst zeigen. Die Initiative steht am Scheideweg zwischen echter Reform und politischem Kalkül.