Da Donald Trump eine Wiederaufnahme der Atomverhandlungen mit Iran anstrebt, haben wir mit Michel Makinsky gesprochen, Iran-Experte und assoziierter Analyst des MENA Research Center. Das Interview führte Denys Kolesnyk, französischer Berater und Analyst sowie Präsident des MENA Research Center.
Iranische Frauen protestieren zunehmend gegen das gesetzlich verordnete Tragen des Schleiers und fordern damit das Regime heraus. Inwieweit könnten diese Aktionen zu politischen Reformen im Iran führen – und welche Schlüsselfaktoren werden darüber entscheiden, ob diese Bewegung konkrete Veränderungen bewirken kann?
Um ehrlich zu sein, glaube ich nicht, dass diese Bewegungen echte Reformen auslösen werden. Es ist offensichtlich, dass der zunehmende Widerstand der Frauen, die sich weigern, den Schleier zu tragen, Auswirkungen haben wird. Diese zeigen sich vor allem darin, dass das Regime immer größere Schwierigkeiten hat, sich dieser Entwicklung entgegenzustellen. Die Berichte, die wir erhalten, belegen klar, dass es dem Regime nicht gelingt, diesen Trend im großen Stil aufzuhalten. Werden daraus Reformen hervorgehen? Das halte ich für höchst unwahrscheinlich. Man kann lediglich davon ausgehen, dass das Regime seine eigene Lehre aus dieser Ohnmacht ziehen wird – abgesehen von einigen repressiven Maßnahmen, auf die es wohl kaum verzichten wird. Doch echte Reformen sehe ich daraus nicht erwachsen.
2018, während seiner ersten Amtszeit, legte Donald Trump die Verhandlungen über das Atomabkommen (JCPOA) mit dem Iran auf Eis. In diesem Jahr hat der US-Präsident diese Gespräche wieder aufgenommen. Was sind die Hauptgründe für diesen Kurswechsel, und wie könnte dieser neue Ansatz die Lage im Nahen Osten beeinflussen?
Es gibt mehrere Faktoren, die die aktuelle Dynamik beeinflussen. Zunächst einmal braucht Donald Trump einen großen außenpolitischen Erfolg. Er hatte ein rasches Abkommen mit Russland angekündigt, doch dieser Versuch scheiterte. Wladimir Putin durchschaute schnell Trumps Strategie, der alle Zugeständnisse machte, noch bevor die eigentlichen Verhandlungen begannen. Putin musste diese Gesten nur als selbstverständlich hinnehmen und anschließend weitere Forderungen stellen. So manövrierte sich Trump selbst in eine Sackgasse – ein Scheitern, das für alle sichtbar war, auch für die amerikanische Öffentlichkeit und den Kongress. Daher braucht er nun ein neues Terrain für einen möglichen Erfolg. Er hat sich China zugewandt, doch auch hier sind die Ergebnisse durchwachsen. In Peking hat man erkannt, dass die US-Wirtschaft leidet – ebenso wie der amerikanische Konsument. Das erhöht den Druck auf Trump, der ein greifbares Ergebnis vorweisen muss. In diesem Kontext versucht er es nun mit der Iran-Frage.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Position Saudi-Arabiens, das inzwischen eine Reduzierung der regionalen Spannungen zur Priorität erklärt hat – aus wirtschaftlichen Gründen. Der Plan „Vision 2030“ steht vor ernsthaften Herausforderungen: ein anhaltendes Haushaltsdefizit, Mega-Projekte, deren Finanzierung ins Stocken geraten ist, sowie der beschleunigte Übergang zu erneuerbaren Energien in der Region. Mohammed bin Salman hat daher ein großes Interesse daran, die Lage zu beruhigen. In diesem Sinne unterzeichnete Saudi-Arabien am 10. März 2023 ein Abkommen mit dem Iran zur Deeskalation. Entgegen den Erwartungen mancher Beobachter hatte dieses Abkommen konkrete Folgen. Bin Salman machte deutlich, dass er keine Angriffe auf Iran wünsche. Im Herbst folgten gemeinsame Militärübungen beider Länder sowie gegenseitige hochrangige diplomatische Besuche – zunächst reiste der saudische Generalstabschef nach Teheran, später der saudische Verteidigungsminister. Natürlich hegen die Saudis keine Illusionen über die Absichten Irans, doch sie haben ein Zeitfenster erkannt, das sie nutzen wollen. Auch der Iran hat ein dringendes Interesse an einer Entspannung – sowohl zur Verbesserung der eigenen Sicherheitslage als auch zur Ankurbelung der Wirtschaft. Beide Mächte bemühen sich daher um ein modus vivendi – eine Form des friedlichen Nebeneinanders, ohne dabei von Freundschaft zu sprechen.
Dieser Ansatz steht in völligem Widerspruch zur Agenda von Benjamin Netanjahu, der kürzlich seine Angriffsandrohungen gegen den Iran erneuert hat. Gleichzeitig hat er jedoch, ohne seine aggressive Rhetorik gegenüber Teheran aufzugeben, erkennen lassen, dass er ein Abkommen mit dem Iran befürwortet – was ihn der saudischen Linie näherbringt, die auf Deeskalation setzt. Für den amerikanischen Präsidenten ist die Nähe zu Saudi-Arabien, seiner regionalen Schlüsselverbündeten, essenziell – und könnte sich bei der Suche nach einem Kompromiss als hilfreich erweisen. Damit wären wir beim Kern der Nuklearfrage, die zwei Hauptkomponenten umfasst: das iranische Atomprogramm und die Sanktionen.
Was das Atomprogramm betrifft, bestehen zwar erhebliche Meinungsverschiedenheiten, doch die technischen Lösungsansätze sind bekannt. Sie sind dokumentiert, und mehrere Optionen liegen auf dem Tisch. Die Iraner haben bereits eine gewisse Flexibilität gezeigt. Über verschiedene Kanäle haben sie signalisiert, dass sie bereit wären, die Urananreicherung auf 60 % aufzugeben und zu einem Niveau unter 5 % zurückzukehren. Zudem sind sie bereit, der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zusätzliche Garantien zu geben, insbesondere durch verstärkte Inspektionen und Überwachungsmaßnahmen. Eine weitere Option, die diskutiert wird, ist die Wiederaufbereitung von abgebrannten Brennelementen in einem Konsortium, an dem auch Saudi-Arabien beteiligt sein könnte. Kurz gesagt: In diesem Bereich gibt es durchaus Lösungsansätze.
Die derzeitigen Verhandlungen befinden sich allerdings in einer heikleren Phase. Die wechselnden Positionen der US-Vertreter haben zu erheblicher Verwirrung geführt. Der Hauptverhandler, Steve Witkoff, der keinerlei diplomatische Erfahrung mitbringt, hatte zunächst erklärt, dass der Iran bei Erfüllung bestimmter Bedingungen – darunter die eben genannten – weiterhin niedrig angereichertes Uran für zivile Zwecke anreichern dürfe. Kurz vor der fünften Verhandlungsrunde verkündete Witkoff jedoch, Washington wolle nun doch ein vollständiges Verbot jeglicher Anreicherung durchsetzen. Die iranische Seite stellte daraufhin umgehend klar, dass diese Kehrtwende inakzeptabel sei, da die Urananreicherung zu zivilen Zwecken durch den Atomwaffensperrvertrag (NPT) ausdrücklich anerkannt ist. Diese Änderung birgt das Risiko, den Gesprächen einen möglicherweise tödlichen Schlag zu versetzen.
Diese Kursänderung wirft Fragen auf. Es ist bekannt, dass es im Umfeld Trumps unterschiedliche Lager gibt – auf der einen Seite Hardliner, die Netanjahus Linie folgen, auf der anderen Seite pragmatischere Stimmen. Der Vorfall zeigt, dass der israelische Premierminister, der nach wie vor von Militärschlägen gegen den Iran träumt, seinen Druck auf das Weiße Haus erhöht hat. Auch über den Ort der Wiederaufbereitung des Urans bestehen weiterhin Differenzen. Diese sind jedoch lösbar – der sehr erfahrene diplomatische Dienst Omans ist hier aktiv eingebunden und schlägt Lösungen vor, die beide Seiten zufriedenstellen könnten.
Dagegen stellen die Sanktionen weiterhin ein großes Hindernis dar. Überraschenderweise wird dieses Thema in der öffentlichen Debatte kaum angesprochen – und dieses Schweigen ist an sich schon alarmierend. Der Iran fordert offiziell die vollständige Aufhebung der Sanktionen, auch wenn er weiß, dass dies kurzfristig kaum erreichbar ist. Doch es ist völlig unklar, was Trump im Gegenzug für iranische Zugeständnisse anzubieten bereit ist. Diese fehlende Transparenz deutet auf eine unzureichende Vorbereitung auf amerikanischer Seite hin. Trump hatte ein Abkommen angekündigt, das amerikanischen Unternehmen den Zugang zum iranischen Markt eröffnen würde. Die Iraner reagierten sofort positiv und erklärten, sie seien bereit, diese Firmen – auch im zivilen Nuklearbereich – willkommen zu heißen. Doch hinter diesen Ankündigungen scheint sich auf Seiten der USA vor allem Improvisation zu verbergen.
Viele Fragen bleiben unbeantwortet: Wie viel von den eingefrorenen iranischen Geldern soll freigegeben werden? Um welche Mittel handelt es sich konkret – etwa um die Gelder, die in Südkorea blockiert sind? Über welche Kanäle könnte auf diese Gelder zugegriffen werden? Wären sie frei verfügbar oder an bestimmte Verwendungszwecke wie Agrarprodukte oder Medikamente gebunden? Nichts davon wird thematisiert. Auch in Bezug auf die Öffnung des iranischen Marktes für US-amerikanische Unternehmen scheint Trump zu übersehen, dass ihm die nötigen Hebel fehlen. Die US-Sanktionen lassen sich in zwei Kategorien einteilen: Sekundärsanktionen, die ausländische Unternehmen betreffen, beruhen auf präsidentiellen Erlassen und können vom Präsidenten ausgesetzt oder aufgehoben werden. Primärsanktionen hingegen, die sich gegen US-amerikanische Unternehmen und Personen richten, die mit dem Iran Geschäfte machen, wurden gesetzlich verabschiedet – ihre Aufhebung liegt daher in der Zuständigkeit des Kongresses. Und es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass der Kongress bereit wäre, diese Sanktionen aufzuheben.
Der Gesamteindruck auf amerikanischer Seite ist daher der einer großen Improvisation. Trump scheint schlecht vorbereitet, um mit den erfahrenen iranischen Verhandlungsführern Schritt zu halten. Der iranische Außenminister Abbas Araghchi kennt das Dossier in- und auswendig. Er war einer der Hauptverhandler des Abkommens vom 14. Juli 2015, an der Seite des damaligen Außenministers Mohammad Javad Zarif sowie dessen Stellvertreter und Kollegen Majid Takht-Ravanchi. Diese Verhandler beherrschen die Verhandlungstechnik – sie verstehen es, Maximalforderungen zu stellen, um sich anschließend auf einen vernünftigen Kompromiss zuzubewegen.
Zudem ist es unwahrscheinlich, dass große US-Konzerne selbst bei einer Aufhebung der Primärsanktionen in den Iran strömen würden. Welcher Vorstand würde ernsthaft erwägen, in einem Land zu investieren, das faktisch von den Revolutionsgarden kontrolliert wird? Ein realistischeres Szenario wäre die Erteilung spezieller Lizenzen – so wie es im Rahmen des JCPOA bereits geschehen ist, etwa um Boeing die Lieferung ziviler Flugzeuge zu ermöglichen. Eine solche symbolische Geste könnte ein erster Testlauf für ein mögliches Abkommen sein.
Auf iranischer Seite verlaufen die Vorbereitungen weitaus konkreter. Ein starkes Signal wurde vom Obersten Führer ausgesandt, der dem Schlichtungsrat (Discernment Council) die Anweisung gegeben hat, zwei Gesetze zu verabschieden, die von der FATF (Financial Action Task Force) gefordert werden, um den Iran von der schwarzen Liste zu streichen und auf die graue Liste zu setzen. Eines dieser Gesetze – das Palermo-Übereinkommen (UNTOC – Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität) – wurde inzwischen vom Rat angenommen. Es bleibt noch die Ratifizierung des zweiten Abkommens, des Übereinkommens zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung (CFT). Mit diesem Schritt signalisiert der Iran, dass er sich ernsthaft auf eine zumindest teilweise Lockerung der Sanktionen vorbereitet. Dieses Signal wiegt umso schwerer, da viele Sanktionen auf den Bankensektor zielen, insbesondere auf das Swift-Nachrichtensystem. All das sind sehr konkrete Hinweise auf die Verhandlungsbereitschaft Teherans.
Und was wäre, wenn diese Sanktionen tatsächlich aufgehoben würden und der Swift-Zugang für den Iran wiederhergestellt würde?
Das allein würde noch nicht ausreichen, um den internationalen Zahlungsverkehr wieder in Gang zu bringen. Keine internationale Bank – auch keine amerikanische –, selbst wenn die Primärsanktionen aufgehoben würden, wird sich auf Geschäfte mit dem Iran einlassen, solange die FATF Teheran nicht zumindest von der schwarzen auf die graue Liste setzt. Erst ein solcher Schritt würde in den Compliance-Abteilungen der Banken als positives Signal gewertet, das Geschäfte überhaupt in Betracht ziehen ließe. Doch das funktioniert nur, wenn das OFAC (Office of Foreign Assets Control) nicht erneut – wie bereits bei der Umsetzung des JCPOA – massiven Druck auf europäische Banken ausübt, sie regelrecht einschüchtert und sie so von der Abwicklung eigentlich legaler Geschäfte abhält.
Wir befinden uns also in einer Phase, in der zwar gewisse Signale ausgesendet werden, doch von amerikanischer Seite – abgesehen von ein paar Aussagen vom Typ „Ich will schnell ein Abkommen“ – bleibe ich skeptisch. Ich sehe keine konkreten Hinweise auf eine ernsthafte Vorbereitung. Vielleicht geschieht das alles unter völliger Geheimhaltung – was durchaus möglich wäre –, aber es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, was passieren würde, wenn morgen tatsächlich ein Abkommen geschlossen würde. Und genau das ist für mich die entscheidende Frage. Ich bin sehr überrascht über das völlige Schweigen zu diesem Thema – nicht nur in den Medien, sondern auch in Thinktanks oder unter Analysten: Es herrscht absolute Stille über den Tag X.
Ich denke, hier liegt ein grundlegendes Problem vor. Es ist möglich, dass die Amerikaner erst kürzlich erkannt haben, dass sie sich auf diesen Fall nicht wirklich vorbereitet hatten.
Im Mai 2025 trat ein Freihandelsabkommen zwischen dem Iran und der von Russland geführten Eurasischen Wirtschaftsunion in Kraft. Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine ist Teheran ein loyaler Verbündeter Moskaus geblieben und hat es unter anderem mit militärischer Ausrüstung versorgt, darunter Drohnen, die in modernen Kriegen eine zentrale Rolle spielen. Im Januar 2025 unterzeichneten beide Länder ein strategisches Partnerschaftsabkommen – allerdings ohne gegenseitige Beistandsklausel. Wie erklären Sie sich die Dynamik und die Herausforderungen in den russisch-iranischen Beziehungen?
Das Fehlen einer solchen Klausel sagt viel über die tatsächliche Reichweite dieses sogenannten strategischen Abkommens aus. Die Rede ist hier vom Partnerschaftsabkommen zwischen dem Iran und Russland, aber das Gleiche gilt auch für das Abkommen zwischen dem Iran und China. Zwar betonen die Iraner in ihrer offiziellen Rhetorik stets den strategischen Charakter dieser Vereinbarungen – in Wirklichkeit handelt es sich jedoch eher um taktische Partnerschaften zwischen Akteuren, die zwar gewisse gemeinsame Interessen teilen, aber auch gravierende Unterschiede und zum Teil gegensätzliche Interessen haben. Sie sind gezwungen, eng zusammenzuarbeiten, weil der Westen alles getan hat, um sie zueinander zu treiben. Das bedeutet: Trotz der engen Kooperation stellen Moskau und Teheran – wenig überraschend – ihre nationalen Interessen stets an erste Stelle.
Was Russland betrifft, so gibt es einen schweren historischen Ballast, der im kollektiven Gedächtnis des Iran nie vergessen wurde: den Vertrag von Turkmenchay aus dem Jahr 1828, mit dem das Russische Reich große Teile der iranischen Provinz Aserbaidschan annektierte – das heutige Aserbaidschan. Diese historische Erfahrung nährt ein tiefes und dauerhaftes Misstrauen. Es ist hilfreich, sich in diesem Zusammenhang immer vor Augen zu halten, dass der Iran, Russland und die Türkei die Nachfolger von drei historischen Großreichen sind, die sich immer wieder bekämpft, zeitweise verbündet und grundsätzlich konkurriert haben. Diese Beziehungen bleiben ambivalent – man ist gezwungen zu kooperieren, steht aber gleichzeitig oft in scharfem Gegensatz zueinander.
Russland möchte unter keinen Umständen einen nuklear bewaffneten Iran. Es gibt zwar eine gemeinsame russisch-iranische Front gegen die USA, doch auf dem Boden – etwa in Syrien – gingen gemeinsame militärische Aktionen oft mit erheblichen Differenzen einher. Auch wirtschaftlich traten Iraner und Russen in direkte Konkurrenz um die Kontrolle strategischer Sektoren, wobei die Russen sich unter anderem den Zugang zu Phosphatvorkommen sichern konnten. Selbst während der gemeinsamen Unterstützung von Baschar al-Assad traten erhebliche taktische Differenzen zutage.
Ein besonders aufschlussreiches Beispiel für das Misstrauen ist die offizielle Haltung Russlands und Chinas im Territorialstreit zwischen dem Iran und den Vereinigten Arabischen Emiraten über die Inseln Abu Musa sowie die Großen und Kleinen Tunb-Inseln. Beide Mächte unterstützten in dieser Auseinandersetzung die VAE – was in Teheran auf äußerst negative Resonanz stieß.
Diese Allianzen sind also Zweckbündnisse. Beide Seiten versuchen, daraus Nutzen zu ziehen – innerhalb der Grenzen, die ihnen die gemeinsame Konfrontation mit dem Westen setzt, der ihnen den Zugang zu Finanzmitteln und Ressourcen verwehrt.
Ein weiterer zentraler Punkt in den russisch-iranischen Beziehungen: Aus meiner Sicht haben die Iraner einen schweren taktischen Fehler begangen, als sie Russland im Krieg gegen die Ukraine mit Drohnen und militärischer Unterstützung versorgten. Im Gegenzug hofften sie auf die Lieferung von Su-35-Kampfjets und S-400-Luftabwehrsystemen. Doch es war von vornherein klar, dass Russland die S-400 – ihre „Kronjuwelen“ – niemals exportieren würde. Und was die Su-35 betrifft: Seit zwei Jahren kursieren regelmäßig Berichte, wonach die Lieferung „kurz bevorsteht“, doch sie ist bis heute nicht erfolgt. Das Ganze erinnert an eine iranische Version von „Warten auf Godot“. Der russisch-ukrainische Krieg mag die Verzögerungen zum Teil erklären, aber dieses Verhalten ist keineswegs neu – Moskau hat sich schon oft so verhalten. Russland profitiert stark vom Iran, aber es gibt nicht alles zurück, was Teheran sich erhofft.
Um die Frage präzise zu beantworten: Es gibt strukturelle Gründe für diese Situation. Die Anzeichen, die wir beobachten, zeigen, dass das Vertrauen zwischen beiden Ländern weiterhin unzureichend ist, um eine echte strategische Solidarität zu ermöglichen. Was wir sehen, sind taktische Arrangements, die eher aus Zwang denn aus einer geteilten langfristigen Vision hervorgehen.
Andererseits: Kann man sagen, dass, wenn es dem Iran gelingt, sich zumindest teilweise von den westlichen Sanktionen zu befreien und sich die Beziehungen zu den USA und ganz allgemein zum Westen verbessern, dann diese „taktische“ Allianz mit Russland an Bedeutung verlieren dürfte? Ist das eine berechtigte Annahme?
Ich würde sagen: Der wirtschaftliche Teil der Allianz mit Russland wird bestehen bleiben, denn im Gegensatz zu den Chinesen – und das ist ein Mythos, den man auflösen muss – sind es die Russen, die tatsächlich im Iran investieren. Die Chinesen unterzeichnen zwar viele Abkommen, aber sie investieren nicht. Der Iran hingegen hat ein entscheidendes Interesse daran, insbesondere den Nord-Süd-Eisenbahnkorridor auszubauen, und er setzt dabei auf die Unterstützung Russlands. Auch andere Akteure in Zentralasien sind involviert: Ich habe gesehen, dass Kasachstan kürzlich in einen iranischen Hafen investiert hat, und auch Indien misst diesem Projekt große Bedeutung bei. Die Partnerschaft wird also nicht verschwinden. Selbst im Verteidigungsbereich ist eine Fortsetzung der Kooperation denkbar – etwa durch Technologietransfer oder Lieferung von Ausrüstung –, aber sie wird offensichtlich an Intensität verlieren. Sie wird nicht enden, aber sie wird abnehmen.
Alles hängt davon ab, wie groß die Vorteile sind, die der Iran aus einer Lockerung der Sanktionen ziehen kann. Sollten diese erheblich sein, wäre das ein starker Anreiz für Teheran, sich von Russland zu distanzieren – abgesehen vom Nord-Süd-Korridor, der meiner Einschätzung nach ein fundamentales strategisches Interesse darstellt, um den Iran über den Irak mit Zentralasien und dem Golf zu verbinden. Ja, man kann mit einer Partnerschaft rechnen, die an Intensität verliert, bei der bestimmte Aspekte – insbesondere die militärische Beteiligung Irans – verringert werden. Das wird mit Sicherheit eine zentrale Forderung der Amerikaner im Kontext des Ukraine-Krieges sein. Der Iran wird gezwungen sein, sich zurückzuhalten, doch einige Elemente der Partnerschaft, wie der genannte Korridor, werden bestehen bleiben.
Wenden wir uns nun Syrien zu. Seit dem Sturz Baschar al-Assads im Dezember 2024 hat der Iran einen Großteil seines Einflusses im Land verloren. Zudem hat der Übergangspräsident Syriens, Ahmed al-Sharaa, Donald Trump ein Abkommen vorgeschlagen, das US-Firmen einen erleichterten Zugang zu den syrischen Ölfeldern gewähren würde. Wie schätzen Sie den verbleibenden Einfluss Irans in Syrien ein, und wie sehen die mittelfristigen Perspektiven aus?
Man kann mit Fug und Recht sagen, dass der iranische Einfluss in Syrien einen tödlichen Schlag erlitten hat. Um es klar zu sagen: Der Iran ist heute marginalisiert. Zum einen, weil es keine alawitische Regierung mehr gibt – das ist der erste Punkt –, und das aktuelle Regime ist klar entschlossen, die iranische Präsenz im Land zu beseitigen. Zum anderen haben die israelischen Luftschläge – auch wenn sie sich teilweise negativ auf die neue syrische Regierung auswirken – hauptsächlich das Ziel, Iran und die Hisbollah daran zu hindern, erneut militärische Stellungen aufzubauen, die Israels Sicherheit gefährden könnten. Ich sage „hauptsächlich“, denn es zeigt sich inzwischen, dass Israel dem neuen Regime gegenüber misstrauisch ist – trotz der positiven Reaktion auf den Sturz Baschar al-Assads.
Es scheint mir, dass der Druck, den Israel auf die neue syrische Regierung ausübt, übermäßig stark ist – so stark, dass er das Risiko birgt, eine Konfrontationsdynamik zwischen beiden Seiten auszulösen. Mohamed al-Sharaa hat erklärt, er könne sich angesichts des Kräfteungleichgewichts keinen Konflikt mit Israel leisten, doch meiner Einschätzung nach hat Israel einen schweren strategischen Fehler begangen, indem es einen weiteren Teil der Golanhöhen besetzt hat. Offiziell wurde die Operation mit dem Ziel begründet, die eigene Sicherheit und die der Drusen zu stärken, die von mehr oder weniger unkontrollierten dschihadistischen Milizen bedroht seien, die mit dem neuen syrischen Regime in Verbindung stehen. In Wirklichkeit bestand ein wesentliches Ziel jedoch darin, die Kontrolle über die Wasserressourcen des Golan zu übernehmen – ein strategisch zentrales Thema für Israel. Durch das einseitige und gewaltsame Vorgehen hat Israel einen dauerhaften Konfliktfaktor in die Beziehungen zur neuen syrischen Regierung eingeführt.
In dieser Logik der Konfrontation scheint Israel eher darauf abzuzielen, das neue Regime zu schwächen, als eine Strategie von Verhandlungen, Kompromissen oder gar Kooperation zu verfolgen. Damit riskiert der jüdische Staat mittelfristig selbst erhebliche Probleme. Sollte sich das neue Regime langfristig konsolidieren – was noch abzuwarten bleibt –, könnte es versuchen, auf die Demütigung durch die Annexion zu reagieren, insbesondere weil die Wasserfrage als existenziell betrachtet wird. Derzeit kann es nichts tun. Aber die Saat für einen künftigen Konflikt ist zweifellos gesät.
Fazit: Der Iran ist heute in Syrien vollständig marginalisiert. Er hat den Zugang zu Latakia verloren – ein strategisch wichtiger Punkt zur Versorgung der Hisbollah mit Ausrüstung und anderen Ressourcen. Diese Schwächung dürfte von Dauer sein, insbesondere wenn Saudi-Arabien und die Türkei ihre Kräfte bündeln, um die neue Machthaber in Damaskus zu stärken, und wenn die USA beschließen sollten, deren wirtschaftliche Stabilität über eine bloße Sanktionslockerung hinaus zu unterstützen – was bislang nicht der Fall ist, aber durchaus möglich wäre.
Im Mai dieses Jahres hat die PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) die Einstellung aller bewaffneten Aktivitäten und ihre Auflösung bekannt gegeben – ein Ende von mehr als 50 Jahren Aktivität. Welche Folgen hat diese Entscheidung für die Länder der Region, insbesondere für die Türkei, den Irak und Syrien?
Zunächst zur Türkei: Diese Entwicklung bietet Ankara die Möglichkeit, einen langjährigen bewaffneten Konflikt zu beenden, der das Land nicht nur finanziell, sondern auch militärisch erheblich belastet. Auch innenpolitisch spielt das eine Rolle: Angesichts der politischen Krise im Inland sieht sich Erdoğan gezwungen, eine Entspannungspolitik zu verfolgen. Durch die Wiederintegration der Kurden in das politische System erhofft er sich eine Atempause auf innenpolitischer Ebene.
Aus iranischer Sicht wurde die Entscheidung begrüßt. Teheran hat die Türkei und die Kurden dazu aufgerufen, den Weg der Versöhnung zu beschreiten. Warum? Weil der Iran selbst ein massives Kurdenproblem hat. Die kurdische Minderheit wird dort seit langem von einem Zentralstaat marginalisiert, der von einer Ideologie persischer Überlegenheit geprägt ist und kulturelle Identitäten außerhalb dieses Rahmens ablehnt. Diese anhaltende Repression hat starken Unmut hervorgerufen. In der Folge entstanden islamistische kurdische Gruppen in iranischem Kurdistan, von denen einige schwere Anschläge im Iran verübt haben – häufig in Zusammenarbeit mit irakischen Islamisten, die logistische Unterstützung leisteten. Für Teheran könnte eine Entspannung zwischen der Türkei und den Kurden also auch dazu beitragen, grenzüberschreitende Sicherheitsrisiken zu verringern.
Die Türkei profitiert außerdem strategisch in einem weiteren Zusammenhang: dem Ausbau der sogenannten Road Development Corridor-Initiative – ein geplanter Landkorridor von großer Bedeutung, der die Türkei mit dem Irak verbinden soll. Dieses Projekt macht echte Fortschritte, im Gegensatz zu anderen Korridoren, die sich entweder verzögern oder noch in weiter Ferne liegen. Im Jahr 2023 wurde ein entsprechendes Abkommen zwischen der Türkei, dem Irak, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Katar unterzeichnet, wobei die beiden Golfstaaten sich an der Finanzierung beteiligen. Die amerikanische Ingenieurfirma Oliver Wyman, eine der größten weltweit, wurde mit dem Management des Projekts beauftragt. Eine zentrale Voraussetzung für die Umsetzung dieses strategischen Korridors ist jedoch die Befriedung der Regionen, durch die er führen soll – darunter auch Gebiete mit kurdischem Einfluss. Wenn die PKK den bewaffneten Kampf tatsächlich dauerhaft aufgibt, wird dies die Umsetzung des Projekts in einem stabileren Umfeld erheblich erleichtern. Die Türkei hat dem Irak bereits ein Abkommen aufgezwungen, das Sicherheitsmaßnahmen in den betroffenen Regionen vorsieht.
Für den Irak ist dies ebenfalls eine ausgezeichnete Nachricht, da es zu einer Entspannung im kurdischen Sektor beiträgt. Es könnte sogar den Weg für bessere Beziehungen zwischen der Zentralregierung und der Regionalregierung von Kurdistan ebnen. Sollten sich konkrete wirtschaftliche Entwicklungsperspektiven eröffnen, könnten die separatistischen Tendenzen mancher Kurden nachlassen. Davon würde das ganze Land profitieren.
Auch für Syrien bedeutet diese Entwicklung eine Erleichterung für Mohamed al-Sharaa. Er kann hoffen, dass die syrischen Kurden einen neuen modus vivendi akzeptieren. Man darf nicht vergessen, dass unter Baschar al-Assad bereits eine ähnliche Regelung bestand: Das Regime hatte sich aus bestimmten kurdischen Gebieten zurückgezogen, im Gegenzug hatten die Kurden die zentrale Autorität anerkannt und erhielten ein gewisses Maß an Autonomie. Daher besteht die Hoffnung, dass die derzeitige Dynamik auch zur Beruhigung der Lage in Syrien beitragen wird.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Diese Entwicklung ist ein entscheidender Faktor zur Reduzierung der Spannungen in der Region.
Vor Kurzem hat Donald Trump den Nahen Osten besucht, darunter drei ölreiche Monarchien: Saudi-Arabien, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate. Was waren die Ziele dieser Reise, und welche Ergebnisse wurden erzielt?
Diese Frage kommt zur rechten Zeit, denn wir haben gerade einen Bericht über diese Reise in Les Clés du Moyen-Orient veröffentlicht. Ziel der Reise war es, mehrere Signale zu senden. Erstens ging es darum, den Monarchien klarzumachen, dass sich die Vereinigten Staaten keineswegs aus dem Nahen Osten und dem Golfraum zurückziehen – was zuletzt immer wieder befürchtet wurde und daher einer Klarstellung bedurfte.
Zweitens sollte der militärische Beistand konkretisiert werden – insbesondere durch umfangreiche Waffenlieferungen. Dazu gehören nicht nur Drohnen und Raketen, sondern auch Ausbildungs- und Wartungsverträge, die eine langfristige Abhängigkeit schaffen. Diese Strategie, die auf Abhängigkeit durch Ausstattung setzt, bringt eine entscheidende Neuerung mit sich: Die Verbündeten müssen künftig selbst einen größeren finanziellen Beitrag zu ihrer eigenen Verteidigung leisten. So hat Katar beispielsweise zugesagt, den US-Stützpunkt Al-Udeid mit zehn Milliarden Dollar zu finanzieren. Das illustriert die neue Sicherheits- und Verteidigungspartnerschaft sehr deutlich.
Im wirtschaftlichen Bereich standen zwei Prioritäten im Vordergrund. Erstens die Lieferung von Flugzeugen: Saudi-Arabien, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate haben umfangreiche Bestellungen bei Boeing aufgegeben. Dabei ist allerdings Vorsicht geboten: Die von Trump verkündeten Zahlen sind oft übertrieben. Bei Verhandlungen über solche Großaufträge sind sogenannte Offset-Klauseln üblich, also Vereinbarungen über lokale Wertschöpfung, die die tatsächlich gezahlten Summen erheblich reduzieren.
Zweitens und deutlich bedeutsamer ist das amerikanische Bestreben, in Saudi-Arabien und den Emiraten ein regionales Zentrum für Künstliche Intelligenz zu etablieren. Hier geht es um enorme gemeinsame Investitionen, die den Transfer modernster Technologien einschließen. Im Gegenzug investieren diese Länder auch in KI-Projekte in den USA – es entsteht also eine tiefgreifende gegenseitige Abhängigkeit.
Dabei ist hervorzuheben, dass Trump zahlreiche Zugeständnisse gemacht hat, um zu verhindern, dass diese drei Länder KI-Kooperationen mit Peking eingehen. China verhandelt derzeit aktiv mit ihnen, und Washington hat erhebliche Opfer gebracht, um diese Abkommen zu verhindern. Saudi-Arabien, die Emirate und Katar haben die Situation genutzt, um weitreichende Konzessionen von den USA zu erhalten – ein Beleg für ihr diplomatisches Geschick.
Gleichzeitig ist Vorsicht geboten: Viele dieser Abkommen wurden lediglich in Form von Absichtserklärungen unterzeichnet, und es ist keineswegs sicher, dass sie tatsächlich umgesetzt werden. Dennoch ist die Richtung klar: Es entsteht eine wachsende technologische Interdependenz im Bereich der Künstlichen Intelligenz zwischen den USA und diesen Golfstaaten.