Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) hat eindringlich vor der rasant steigenden Zahl sudanesischer Flüchtlinge gewarnt, die in den Osten des Tschad fliehen. In einer aktuellen Stellungnahme forderte die UN-Organisation dringende internationale Solidarität und sofortige Finanzierung, um den wachsenden humanitären Bedarf zu decken und den Schutz sowie die Unterstützung der besonders verletzlichen Bevölkerung sicherzustellen.
Allein in den vergangenen zwei Wochen haben etwa 20.000 Menschen – vor allem Frauen und Kinder – die Grenze überquert, um vor der eskalierenden Gewalt in der sudanesischen Region Darfur Zuflucht zu suchen. Nach Angaben des UNHCR wurde der größte Zustrom am Grenzübergang Tiné in der tschadischen Provinz Wadi Fira verzeichnet, wo innerhalb von nur zwei Tagen fast 6.000 Flüchtlinge eintrafen.
Gewalt in Darfur treibt Massenflucht an
Magatte Guisse, UNHCR-Vertreterin im Tschad, erklärte, dass seit dem 21. April mehr als 14.000 Menschen in Wadi Fira registriert wurden – darunter allein in der vergangenen Woche 12.000. Weitere 5.300 Personen seien in der östlichen Region Ennedi angekommen, über 1.000 Menschen an nur einem einzigen Tag.
„Dieser plötzliche Anstieg spiegelt die alarmierende Eskalation der Gewalt in Nord-Darfur wider, insbesondere in und um die Stadt El Fasher“, erklärte Guisse. „Die Menschen fliehen um ihr Leben, während bewaffnete Gruppen brutale Angriffe auf Lager für Binnenvertriebene wie Zamzam und Abu Shouk sowie auf bewohnte Gebiete verüben.“
Die in den Tschad geflüchteten Menschen berichten von erschütternden Erlebnissen: gewaltsame Übergriffe, massive Menschenrechtsverletzungen und die Zerstörung ganzer Gemeinden. Viele gaben an, Zeugen von Exekutionen geworden zu sein, Frauen und Mädchen seien sexueller Gewalt ausgesetzt worden, und zahlreiche Häuser seien niedergebrannt. Auch die Flucht selbst sei äußerst gefährlich gewesen – geprägt von Diebstahl, Erpressung und wiederholten Drohungen an Kontrollpunkten entlang des Weges.
Der UNHCR schätzt, dass mehr als 10.000 weitere Menschen noch auf dem Weg in den Tschad sind – in der verzweifelten Hoffnung, dem Chaos im Sudan zu entkommen.
Tschad unter der Last der Flüchtlingsaufnahme
Der Tschad beherbergt derzeit rund 1,3 Millionen Flüchtlinge, darunter fast 800.000 Sudanesen, die seit Beginn des Konflikts vor über zwei Jahren Zuflucht gesucht haben. Trotz begrenzter Ressourcen hat der Tschad bemerkenswerte Solidarität gezeigt, indem er weiterhin Flüchtlinge aufnimmt. Doch die UN warnt: Das Land kann diese Last nicht allein tragen.
„Seit dem 23. April haben acht Konvois etwa 1.850 neu angekommene Flüchtlinge zum Standort Iridimi in Wadi Fira gebracht“, sagte Guisse. „UNHCR und seine Partner leisten an Grenzpunkten und Transitorten Nothilfe, aber unsere derzeitigen Bemühungen reichen bei weitem nicht aus, um dem enormen Bedarf gerecht zu werden.“
Die humanitären Ressourcen im gesamten Tschad sind stark überstrapaziert. Flüchtlinge leiden unter gravierenden Engpässen bei sauberem Wasser, Unterkünften, medizinischer Versorgung und Bildung. Der UNHCR betont, dass bislang nur 20 Prozent der für 2025 benötigten 409 Millionen US-Dollar für die Flüchtlingshilfe in Tschad finanziert wurden.
Fortschrittlicher Schritt: Arbeitsrecht für Flüchtlinge
Inmitten der Krise hat der Tschad einen seltenen und lobenswerten Schritt in der Region unternommen, indem er ein Gesetz verabschiedet hat, das sudanesischen Flüchtlingen das Recht auf Arbeit gewährt. Dieses Gesetz soll ihre Lebensbedingungen verbessern, ihre Eigenständigkeit fördern und die Abhängigkeit von humanitärer Hilfe verringern – und gleichzeitig ermöglichen, dass sie einen wirtschaftlichen Beitrag zu den aufnehmenden Gemeinden leisten.
Diese fortschrittliche Politik wurde von Menschenrechtsorganisationen und der internationalen Gemeinschaft weitgehend begrüßt – sie gilt als Modell für andere Aufnahmeländer in der Region. Für viele sudanesische Flüchtlinge bedeutet das Gesetz einen Hoffnungsschimmer – eine Chance, ihr Leben in einem stabileren Umfeld neu aufzubauen.
Die Umsetzung ist jedoch mit Herausforderungen verbunden. Der tschadische Arbeitsmarkt muss in der Lage sein, die steigende Zahl von Arbeitskräften aufzunehmen, und es bedarf klarer Regelungen, um Ausbeutung zu verhindern und faire Arbeitsbedingungen zu garantieren.
Lager in der Krise: Überfüllung und schwindende Vorräte
In den Flüchtlingslagern verschlechtert sich die Lage weiter. Überfüllung, Nahrungsmangel und mangelnder Zugang zu medizinischer Versorgung bleiben zentrale Probleme. Die Menschen leben in provisorischen Unterkünften, mit eingeschränktem Zugang zu sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen – was das Risiko von Krankheitsausbrüchen und Sicherheitsbedrohungen erhöht.
Trotz laufender humanitärer Bemühungen bleibt die internationale Unterstützung unzureichend. Die Nahrungsmittelrationen reichen nicht aus, um den täglichen Nährstoffbedarf zu decken, und besonders in den Bereichen Schutz und Bildung klaffen laut Hilfsorganisationen gewaltige Lücken.
Einige Länder, darunter Deutschland, haben finanzielle Hilfe geleistet, und internationale NGOs bemühen sich, grundlegende Versorgungsgüter bereitzustellen und die Lagerinfrastruktur zu verbessern. Doch all diese Maßnahmen reichen kaum aus, um dem Ausmaß der Krise gerecht zu werden.
Appell zum sofortigen Handeln
Angesichts der sich zuspitzenden Flüchtlingskrise bekräftigt der UNHCR seinen Appell an die internationale Gemeinschaft: Mehr Unterstützung, Schutz für Zivilisten und sichere Fluchtwege für die vom Konflikt Betroffenen. „Wir müssen die Angriffe auf Zivilisten im Sudan beenden“, forderte Guisse. „Menschen, die vor Krieg fliehen, verdienen Sicherheit, Würde und Hoffnung.“
Ohne rasches Handeln droht die humanitäre Katastrophe im Tschad außer Kontrolle zu geraten – mit Hunderttausenden Menschenleben, die auf dem Spiel stehen.