von Harold Hyman, französisch-amerikanischer Journalist
Donald Trump gibt sich als der originellste Präsident der US-Geschichte. Vor allem will er nichts mit George W. Bush gemein haben, den er für einen der dümmsten Kriege überhaupt verantwortlich macht. Und doch weisen die beiden Präsidentschaften – fast eine Generation voneinander entfernt – auffallende Parallelen auf. Beide brachten äußere Bedrohungen in innenpolitische Überlegungen ein. Auch militärisches und nationalistisches Abenteuerdenken trat zutage. Bei George W. Bush war es der Invasionskrieg gegen den Irak und Afghanistan – er und sein neokonservatives Umfeld dachten sogar darüber nach, ihren „Siegeszug“ nach Syrien und Iran fortzusetzen. Bei Donald Trump ist es die Leidenschaft für ein zügelloses Amerika – expansionistisch (Grönland, Panama) und nostalgisch (Rückkehr in ein Goldenes Zeitalter).
Auch darüber hinaus gibt es Gemeinsamkeiten. Das derzeitige politische Klima in den USA – innen- wie außenpolitisch – erinnert stark an das unter George W. Bush nach dem 11. September 2001. Innenpolitisch geht es vor allem um den Einsatz der Polizei zur Verfolgung vermeintlicher Feinde der Nation. Die Bush-Regierung führte den Patriot Act ein – ein Notstandsgesetz, das die Verhaftung und Inhaftierung von Nicht-Staatsbürgern ohne Anklage ermöglichte, sofern das Heimatschutzministerium sie als terroristische Gefahr einstufte. Diese Einschätzung erfolgte auf administrativer Ebene, abgesegnet durch einen einfachen Richterstempel. Willkür und vor allem Angst prägten diese Zeit. Ausländische Besucher, selbst mit gültigem Visum, wurden mitten auf der Straße in Washington aufgegriffen. So etwa eine Delegation pakistanischer Wissenschaftler, die von einem amerikanischen Thinktank eingeladen worden war – sie wurde vom FBI stundenlang festgehalten und schließlich vom Außenministerium freigelassen!
Gegenwärtig bestraft Trump Universitäten für ihren Antisemitismus – man könnte fast sagen, für ihre schlichte Arabophilie. Forschungsabteilungen zum arabischen Raum, insbesondere zu Palästina, werden untersucht, und ihre Bundesmittel werden ausgesetzt oder ganz gestrichen. Es ist eine Rückkehr zum Klima nach dem 11. September, in dieser Hinsicht sehr ähnlich, jedoch weniger intensiv, da der Staat Israel damals nicht in Gefahr war. Professoren und Forscher fürchteten schon damals, dass jede kritische Äußerung oder Studie zum Irakkrieg den Verlust von Fördergeldern bedeuten könnte. Damals wie heute reichte es aus, wenn nur einige Personen oder Institute finanzielle Mittel verloren, um eine abschreckende Wirkung auf alle anderen auszuüben.
Nicht zuletzt war auch George W. Bush ein Gegner der extremen Rechten. Rechtsextreme Milizen und revolutionäre Gruppen wurden größtenteils vom FBI hart unterdrückt. Sei es durch direkte Maßnahmen der Bundespolizei, sei es, weil sich radikale Rechtsextreme stillschweigend in den Reihen der US-Armee im Irak und in Afghanistan austoben konnten. Nach dem Bombenanschlag von Oklahoma City im Jahr 1995, bei dem zwei ultrarechte Täter mitten am Arbeitstag das große Bundesgebäude sprengten und 168 Menschen töteten sowie 700 verletzten, setzte Bush die Arbeit von Bill Clinton fort und bekämpfte diese Form des Terrorismus konsequent.
Die Angreifer des Kapitols am 6. Januar 2021 mögen zwar weit von der Art des Terrorismus von Oklahoma City entfernt gewesen sein, aber sie wandten kollektive Gewalt an – und dennoch erhielten sie eine Art Generalamnestie von Donald Trump zu Beginn seiner zweiten Amtszeit. Als wären sie reine patriotische Bürger. Zugleich stützt sich Trump stark auf eine Bundespolizei namens ICE (Immigration and Customs Enforcement), der es an den Ermittlungsfähigkeiten und dem rechtlichen Fingerspitzengefühl des FBI mangelt – das Trump verachtet, weil es ihn seiner Meinung nach 2016 reingelegt hat. Zur Verhaftung von Mahmoud Khalil, einem palästinensischen Studenten an der Columbia University, wurde ICE eingesetzt. Khalil hatte ein gültiges Visum, war aber bei pro-palästinensischen Protesten an seiner Universität sichtbar geworden – wie auch andere Studierende in ähnlicher Lage. Alle wurden von ICE verhaftet und ohne klare rechtliche Grundlage inhaftiert.
Natürlich müssen amerikanische Staatsbürger nicht befürchten, wegen ihrer pro-palästinensischen Haltung verhaftet zu werden. Wie schon unter Bush sind sie sicher. Doch die Lage hat sich verändert: Der Irakkrieg (2003–2006) hatte keinerlei Bezug zu Israel oder zu Juden im Allgemeinen, während der Krieg in Gaza es sehr wohl hat. Die Trump-Regierung hat eine Gleichsetzung vorgenommen: Pro-Palästinenser = Antisemiten. Letztere gehören laut Donald Trump zur „radikalen Linken“ und zur Woke-Bewegung. Manche Fälle mögen zutreffen, doch die meisten Demonstranten gehören keiner extremistischen Gruppe an. Dennoch werden sie von Präsident und Kabinettsmitgliedern angeprangert – das erzeugt ein Klima des Belagerungszustands, auch wenn es faktisch keinen gibt. Paradoxerweise gilt Bush heute vielen als das Gegenteil von Trump – dabei werden die historischen Parallelen übersehen. Sollte es Donald Trump jedoch gelingen, den Gazakrieg zu beenden und das iranische Atomprogramm zu stoppen, könnte dieser Belagerungszustand aus dem kollektiven Gedächtnis verschwinden. Dann würde man ihm vergeben.